“Jeder Leser” schreibt Marcel Proust, “liest, wenn er liest, sich selbst.” Anders ausgedrückt kann man behaupten, daß jeder Betrachter eines Bildes - sei es ein Trompe-l’oeil, ein Portrait oder ein Stilleben - beim Betrachten auf der unbewußten Suche nach seinem eigenen Ich ist. Was die Leinwandschöpfungen Eva Warnkes betrifft (einer fantastischen Künstlerin mit kaltem teutonischen Blick aber warmem mediterranen Gefühl) kann man sagen, daß ihr Werk ein geniales optisches Instrument ist, welches es dem Betrachter erlaubt, Dinge in sich zu entdecken, die er, ohne das Bild vor sich zu haben, wahrscheinlich nie in sich selbst gesehen hätte.
Ihre Malerei ist niemals nur die Darstellung der bloßen Wirklichkeit. Eva Warnke taucht die Realität in eine intime, positive und fantastische Atmosphäre. Malerei ist für sie ein magischer und sinnlicher Akt. Ihre feingliedrigen Hände sind geschickt, ihre Bewegungen präzise, so als spürte sie eine subtile Lust, die Bildoberfläche mit der Farbe zu lieb- kosen in einer Art unendlich reinen und geistigen Liebesakts.
Die Darstellungen, denen eine raffinierte Technik Dreidimensionalität verleiht, haben nichts Symbolisches an sich. Sie drücken vielmehr unsere Unruhe aus und exorzisieren diese zugleich. Offensichtlich ist es Eva Warnkes Absicht, ihr Bild/ihre Idee so deutlich als möglich auszudrücken.
Da sie keinen Gruppierungen oder Kunstströmungen angehört, braucht sie keinerlei überkommene Kanons oder Regeln zu respektieren, die die Künstlerpersönlichkeit sonst in klar festgelegten Grenzen einengen.
Das, was Eva Warnke im Ablauf der Jahre so eindeutig macht, ist das äußerst starke Gefühl für die Dialektik von Subjekt und Objekt, eine ständige Gegenüberstellung der Bedeutung der äußeren Wirklichkeit mit der inneren Wirklichkeit - eine Art surrealer Transposition des Existierenden, eine Erleuchtung der Seele, die ihren Werken einen Hauch von authentischer Poesie verleiht. Dies ist vielleicht die Erklärung ihres ständig wachsenden Erfolgs, verursacht durch die Magie des Lichts, der magischen Kraft der Farbe und einer erbarmungslos strengen Technik. Dies ist, wenn man so will, das subtile Geheimnis von Evas Sinnlichkeit.

Februar 2001, Einleitung der Cd-Rom

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